Morgens aus dem Bett und die Laufschuhe an. Eine Dreiviertelstunde durchs Graupaer Tännicht joggen – das muss sein. So beginnt der Tag bei Dieter Schmees. Auch wenn seine Sigrid nicht mehr ganz so mithalten kann, pumpt sie sich wie Dieter die Lungen voll frischer Morgenluft. Aber eben im Spazierschritt, Das ist ein Baustein des Rezeptes für Schmees’sche Vitalität. Die von Dieter Schmees hat es in sich. Der Mann kann ackern, andere motivieren und mitziehen, aber auch ganz zünftig feiern. Das wird er auch zu seinem 80. Geburtstag an diesem Sonnabend. Eben ein bodenständiger Rheinländer, der es mittlerweile auch zum richtigen Pirnaer gebracht hat.
Dabei hat der gebürtige Langenfelder nichts geschenkt bekommen, nach seiner Ausbildung zum Großhandelskaufmann in den 1950er-jahren ganz klein angefangen. 450 D-Mark standen am Start seines Berufslebens bei einem Edelstahlhändler auf seinem Lohnzettel. „Ich war voller Tatendrang und habe erst einmal die Firma umorganisiert“, beschreibt er die erste Zeit. In der heiratete er 1956 auch seine Sigrid. Ein gebrauchtes Schlafzimmer, das war alles, was die junge Familie hatte. Der Bräutigam lackierte es einen Tag vor der Hochzeit. Als das Paar von der Trauung kam, war es noch nicht einmal richtig trocken.
Zuerst kam Sohn Clemens, dann Tochter Susanne zur Welt. Dieter Schmees bereitete indes seine Unternehmerkarriere vor. Auch die begann 1961 unter einfachsten Bedingungen mit einer Drehbank und seinem Vater als einzigem Angestellten. Ehefrau Sigrid war immer der gute Geist im Hause, der dem Unternehmer den Rücken frei hielt, aber auch die vielen kleinen organisatorischen Dinge in der Firma erledigte, ohne die der Laden nicht läuft. 1968 war Jungunternehmer Schmees schon so weit, dass er einen gebrauchten Schmelzofen kaufen konnte. Mit einem ersten Abguss startete das Langenfelder Edelstahlwerk.
Die Familie baute das Werk weiter aus, bis auch sie den Glücksfall der deutschen Einheit erleben durfte. Dieter Schmees wollte helfen, kam dadurch nach Pirna. Anfang der 1990er-Jahre stand hier die Zukunft der Copitzer Gießerei auf Messers Schneide. „Wäre die Familie Schmees nicht gekommen, wäre der Betrieb heute weg vom Fenster“, ist sich Jürgen Plattner sicher, der damals den Betrieb mit den verbliebenen 59 Mitarbeitern leitete.
Nicht einen Pfennig Zuschuss
Nach zähen Verhandlungen mit der Treuhand konnte Dieter Schmees das marode Unternehmen kaufen und baute es mit seinem Sohn Clemens ohne einen Pfennig Zuschuss zum hochmodernen Edelstahlwerk aus. „Das war für uns ein Glück“, resümiert Plattner, der mittlerweile im Ruhestand ist. „Die Leute haben es verdient, dass ich für sie kämpfe“, sagt Dieter Schmees. „Sie haben einen ganz besonderen Einsatz gezeigt.“
Die Verbindung zwischen dem rheinländischen Langenfeld und dem sächsischen Pirna zelebrierte der fitte Dieter Schmees 1995 auch auf seine ganz eigene Weise. Er schwang sich unweit des Rheins auf sein altes Fahrrad und strampelte die 676 Kilometer bis an die Elbe in viereinhalb Tagen. ln Graupa begrüßten ihn seine Pirnaer Mitarbeiter zum letzten Stück, das sie gemeinsam mit ihm radeln wollten. Obwohl dem Unternehmer die Strapazen der Tour in den Knochen steckten, legte er auf den letzten Kilometern noch einmal so richtig los und brauste den Berg auf der Copitzer Basteistraße ganz schnell hoch, sodass er selbst viel jüngere Mitradler noch hinter sich lassen konnte.
Während sich Sohn Clemens ums Edelstahlwerk kümmerte, verwirklichte der Seniorchef eine Idee nach der anderen. Bei der ersten hatten ihn eigentlich alle für verrückt erklärt. Als 1998 die Pirnaer Gastronomie am Boden lag, baute er die alte Betriebskantine zum Brauhaus um. „Schmelzen und Brauen sind genauso artverwandt wie Gießen und Trinken“, sagte der Rheinländer, in dessen Heimat es zahlreiche Hausbrauereien gibt. Gegen alle Widerstände eröffnete er das Brauhaus. Es wurde zum Erfolg. Es folgten eine Destille in Rathen und eine kleine Kapelle direkt vorm Brauhaus. Letztere dürfte auch dazu beigetragen haben, dass hochrangige Geistliche wie Altbischof Joachim Reinelt begeistert sind vom Schmees’schen Ideenreichtum, Das ist auch Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke, der Dieter Schmees aufgrund seiner Verbundenheit zur Stadt zum 80. den Ehrentitel „Pirn’sches Urgestein“ verleiht.
Artikel erschienen in der : Sächsischen Zeitung, Ausgabe 30.05.2015
Text: Peter Hilbert
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Fotos: SZ / P. Hilbert
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Pressebericht Sächsische Zeitung vom 30.05.2015
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Letzte Änderung: 16.07.15